Entropie
Brigitte Schwacke zeichnet. Gelegentlich, für bestimmte Werkgruppen, benutzt sie als Träger ihrer Formfindungen sogar Papier. Diese entstehen dann aber nicht in der uns geläufigen Form mit Hilfe von Kreiden, Blei- und Fettstiften oder mit Tuschfedern und Tuschpinseln, sondern indem die Künstlerin das Material, kräftiges Bütten, freihändig durchstößt und feine Drähte implementiert. Zuvor entwickelt sie Systeme, die den jeweiligen Werkgruppen auch ihren Namen geben. „Entropie“ z.B. heißt eine durchnummerierte Reihe von bisher zehn Blättern im Format von 50 x 30 cm. Schwacke tummelt sich gern in naturwissenschaftlicher Literatur. Sie erzählt in einem Interview, dass sie Physik-und Chemiebücher liest. In diesem Zusammenhang mag sie auch auf den titelgebenden Begriff gestoßen sein. Entropie ist ein aus dem Griechischen abgeleitetes Wort: entrépein bedeutet Umkehrung. Als Entropie bezeichnet man in der Wissenschaft das Maß für den Grad an Ungewissheit über den Ausgang eines Versuchs. In der Medizin steht sie für die krankhafte Umstülpung des Augenlides nach innen. Beide Anwendungen lassen sich auf Schwackes Zeichnungen übertragen. Der medizinische Kontext, die Umstülpung, lädt dazu ein, sich die „andere“ Seite, also Verso des Blattes genauer anzuschauen, und die Ungewissheit über den Ausgang der Versuchsanordnung lässt sich auf den Vorderseiten, Recto, der Blätter nachvollziehen, auf denen jedes Motiv neu mit Überraschungen aufwartet. Betrachten wir zunächst eine Rückseite: In die Grundform eines Rechtecks werden 20 Löcher auf einer horizontalen Linie gestochen. Diesen Vorgang wiederholt Schwacke untereinander 20-mal, so dass ein Feld von Punkten entsteht, deren Abstand zueinander in der Vertikalen etwas größer ist als in der Horizontalen. Durch jeweils zwei untereinander liegende Punkte wird nun ein Draht gezogen, dessen Länge der Seitenlänge des Trägers, also des Büttenpapiers bzw. –kartons, entspricht. So entstehen kurze Linien, die die Punkte der obersten Reihe mit denen der zweiten, darunterliegenden, verbinden, die dritte Reihe mit der vierten, die fünfte mit der sechsten usw.
Da die Drähte sich nicht immer gradlinig einfädeln lassen, sondern sich mehr oder weniger verbiegen und auch gelegentlich kleine Schlaufen bilden, entsteht zwar ein klares, überschaubares und im Ansatz strenges System, das aber durch die leise „anarchischen“ Abweichungen des sich nicht grundsätzlich fügenden Materials eine heitere Lebendigkeit erhält, welche uns darauf hinweist, dass eine auch mit bestem Willen angelegte Ordnung immer mal wieder durchbrochen wird von den kleinen Unwägbarkeiten, die reichlich Spannung nicht nur in unser Leben, sondern auch in eine reduzierte Arbeit wie diese bringen.
Auf der gegenüberliegenden, vorderen Seite herrscht das schiere Chaos. Von einem durch etwas geringere Dichte der Drähte auszumachenden Zentrum fallen und strecken sich unzählige Drähte in alle Richtungen. Sie bilden ein Gewirr aus feinen schwarzen Linien, das sich mal verdichtet, mal offener, luftiger auf dem Blatt entfaltet, sich aus dessen Zentrum heraus entwickelt und ein eigenwilliges „Gestrüpp“ bildet, welches einerseits am Blatt fixiert ist, sich andererseits aber auch darüber erhebt und so die für eine Zeichnung atypische Dimension der Höhe (besser Tiefe) erschließt. Damit ist die dritte Dimension, also der Raum, Teil der Komposition, die mit Recht als „Raumzeichnung“ firmieren darf und damit zur interessanten Spezies der Grenzgänger zwischen Graphik und Plastik zählt.
Variationen ergeben sich, indem Schwacke die Anzahl der Einstiche in das Büttenpapier modifiziert und weil die Drahtfäden nicht gebogen werden, sondern, ihrer Schwerkraft und der Binnenspannung folgend, auf und über dem Blatt liegen bzw. schwingen. Die Serie „Entropie“ entspricht also einem wissenschaftlichen Experiment, das mit geringen Abweichungen in den Voraussetzungen für jedes einzelne Blatt vergleichbar angelegt ist. Da Verso und Recto jeweils eine Einheit bilden, bietet die Serie einerseits Einblicke in die von der Künstlerin zugrunde gelegte Systematik, in den Prozess der Werkgenese, andererseits enthält sie auf jedem der Büttenpapiere ein abwechslungsreiches ästhetisches Angebot.
Ohne Titel
Eine dieser Serie vergleichbare Werkgruppe ohne Titel, ebenfalls im Format 50 x 35 cm, verzichtet auf eine eindeutige Ordnung. Schwacke perforiert das Büttenpapier hier willkürlich. Sie verzichtet auf die strenge Lineatur, die sich aus der systematischen Reihung der Einstiche in den Blättern der „Entropie“ ergibt, und zieht auch die Drähte ohne festgelegte Struktur in alle Richtungen – mal kürzer, mal länger, mal mehr oder weniger gerade – durch die vorgegebenen Markierungen. Erstaunlich ist, wie deutlich die Erscheinung auf der Vorderseite von jener der vorgenannten Gruppe abweicht. Während die Drahtfäden der „Entropie“-Gruppe bei aller chaotischen Bewegtheit eine gewisse Tendenz nach oben und unten zeigen, lassen die unbetitelten Blätter der zweiten Gruppe eine solche Grundausrichtung vermissen. Sie scheinen ihren Umraum nicht aus einer tastenden Streckung zu erobern, sondern kringeln sich über- und untereinander, wobei mehr oder weniger sternförmige Verdichtungen zarte Binnenzentren bilden, um welche freier liegende Linien schwingen und Kreise ziehen. Zahlreiche Enden tasten sich in den vom Bildträger gegebenen Raum vor, einzelne überschreiten ihn, verbinden ihn so mit dem Umraum, in dem auch wir Betrachter uns bewegen. Sie stellen auf diese Weise einen feinen, sensiblen Kontakt her, der uns zu ebenso tastender Wahrnehmung einlädt.
Kleine Zeichnungen
Auf Papiere im Format 25 x 17,5 cm zeichnet Brigitte Schwacke mit schwarzer Tusche kleine, einander gegenüberliegende Kreisbögen, zunächst vereinzelt und scheinbar unsystematisch. Sie wirken wie Klammern, die sich mal hier und mal dort auf dem Blatt eingefunden haben. Da es sich wieder um eine Werkgruppe handelt, ist unter dem Eindruck mehrerer Blätter – und des verdichteten Auftretens der Klammern – zunächst eine gewisse Systematik erkennbar: Die Klammern sind auch hier in Reihen angeordnet, und keine Reihe enthält mehr als 4 Klammern. Im ersten Blatt der Serie kommunizieren lediglich zwei von ihnen; sie stehen einander diagonal im oberen und unteren Bereich gegenüber. Mit der Entwicklung der Werkgruppe verdichtet sich ihre Zahl. An jedem Ende eines Kreisbogens findet sich ein Einstich, durch den ein Draht gezogen wird. Anders als bei den erstgenannten Werkgruppen fädelt die Künstlerin hier gelegentlich auch mehrere Drähte durch ein und dieselbe Perforation. So entstehen kurze Binnenlinien zwischen den Klammern, die sie optisch umformen, ihnen eine neue Gestalt geben. Daneben treten lange, die verschiedenen Klammern verbindende Linien auf, deren Woher und Wohin nicht eindeutig nachvollzogen werden kann. Durch mehrfache Ein- und Ausstiche ergeben sich Richtungswechsel und optische Verbindungen, die keinem bestimmten Draht zuzuordnen sind. Aus diesem Zusammenspiel der Linien entsteht eine optisch überzeugende, systematisch aber nicht unbedingt nachvollziehbare Struktur. Sie kann barock schwingend und rundlich verspielt aussehen oder einen strengeren Rhythmus in angedeuteter Zickzack-Linie haben, aus dem die Drahtenden dann aber doch wieder ausbrechen, um frei und informell den Blattraum zu erkunden. Mit zunehmender Dichte der Klammern und Drähte verschwindet der zunächst ornamental anmutende Charakter der Zeichnungen, und auch die ihnen zugrunde liegende Struktur entzieht sich mehr und mehr der Wahrnehmung. Die Klammern, die auf dem noch weitgehend leeren Blatt eine Wirkung wie Pausenzeichen in einem imaginären Text entfalten konnten, sind nun Zentren der Verdichtung, Knoten, denen energiegesättigte Linien entspringen, die von hier aus ihre raumgreifende Choreographie entwickeln. Die Rückseiten der Blätter zeigen kein nachvollziehbares System, sondern wirken wie von einzelnen Hieroglyphen übersät, die hier und dort durch eine „abhanden gekommene“ längere Linie verbunden sind. Anders als in der „Entropie“-Serie, ist deshalb auch allein die Vorderseite dieser Arbeiten zur Ansicht konzipiert.
Raumzeichnungen
Luftige Gebilde schweben im Raum oder entfalten ihr an ständiges Wachstum oder dezente Metamorphose erinnerndes Dasein vor einer Wand. Körperhafte Gefüge aus gebogenem und geknotetem Draht, die bei jedem Lufthauch dezent hin und her schwingen, werfen feinste Schatten, die wiederum ein Eigenleben auf umgebenden Wand- oder Bodenflächen führen. Sie verstärken so den Zauber der plastischen „Organismen“ und führen ihn in die zweite Dimension zurück. Die Formen der Drahtgeflechte rufen in der realen wie auch in der Schattenwelt sowohl Assoziationen an unkontrollierte Zellentwicklungen als auch, an im All kreisenden Asteroiden hervor. Sie können ebenso gut vom Mikro- wie vom Makrokosmos inspiriert sein. Eine der Werkgruppen heißt „Hirayama family“ nach einem japanischen Astronomen, welcher im All einen Sternenhaufen entdeckt hat, der sich in einer annähernd festen Konstellation um die Sonne bewegt. Trotz ihrer mehr oder weniger voluminösen Präsenz, trotz ihres raumgreifenden Auftretens, das verstärkt wird durch lange „Antennen“, die sich wie empfindliche Sensoren in das die Körper umgebende Terrain hinein tasten, haben die Gebilde eine vollkommen gewichtlose Ausstrahlung. Jede noch so zarte Bewegung verändert die wahrgenommene Erscheinung der Drahthaut. Aufgrund ihrer Transparenz verdichtet sich das gesehene Gefüge, da wir mit der Ansichtsseite zugleich auch die ihr gegenüberliegende erfassen. Das feine Geflecht selbst ist ein unregelmäßiges Gespinst mit unterschiedlich großen Lücken und Öffnungen, die den diaphanen Charakter dieser gerade erst- oder gerade noch- Skulpturen betonen. Während die Schatten imaginäre Zeichnungen auf die Wände werfen, sind die Plastiken kaum mehr als sensible Liniengefüge, Zeichnungen im Raum. Und doch haben sie ob ihrer Dreidimensionalität Anspruch darauf, als vollgültige Plastiken oder Objekte beschrieben zu werden. Souverän können sie in der einen wie in der anderen „Liga“ spielen und unsere Aufmerksamkeit bannen durch ihre Bewegung und die Vielfalt der Ansichten, deren wir in jedem der Körper gewahr werden.
„Zeiträume“
In den Jahren 2011 und 2012 entwickelt Brigitte Schwacke kleine kugelförmige Körper, die sie „Zeiträume“ nennt. Es sind aus Draht gehäkelte Miniatur-Körbe, die sich durch ihren Umfang und ihre Öffnung unterscheiden. Die Künstlerin sieht in ihnen Analogien zu unserem Leben, Kreisläufe, die ineinander greifen. Die voneinander abweichenden Größen markieren unterschiedliche Stadien. Keines der Objekte ist geschlossen. Wäre eine Kugel vollendet, würde sie auch ein vollendetes Leben symbolisieren. Zwei „Fäden“ markieren – im Sinn der Künstlerin einer Nabelschnur vergleichbar – den Beginn der jeweiligen Arbeit und deren (vorläufiges) Ende. Vollendung scheint in keinem Fall angestrebt. Das Prozesshafte, das Werden, ist hier verbildlicht, und eine mögliche, wenn vielleicht auch nur geringe, Entwicklung liegt als Versprechen in dem Faden, der am Ende der gehäkelten Form als „Rest“ verbleibt.
DIN A 4
Die letzte hier angesprochene Werkgruppe kann als Konzeptkunstwerk gelten. Brigitte Schwacke entwickelte 1999 die Idee, eine Reihe von Häkelstücken aus feinstem Draht von unterschiedlichen Personen herstellen zu lassen und die Ergebnisse in einer Gruppe, einem Wandbild, zu präsentieren. Nach einigen Versuchen legte sie als Form ein Rechteck in DIN A 4 Größe fest. Sie entschied sich für eine Nadelstärke und stattete alle Beteiligten mit Drahtrollen des gleichen, sehr feinen Materials aus. Zunächst waren es Künstler und Familienmitglieder, die sie für ihre Vorstellungen engagieren konnte, dann auch Freunde, Bekannte und Menschen, die sie in institutionellen Zusammenhängen fand. Das Interesse der Künstlerin lag auch hier wieder in dem Wunsch, einem Werk Zeit einzuschreiben, diesmal nicht allein die eigene Zeit, sondern auch die geschenkte Zeit all jener, die bereit waren, ein solches Häkelstück zu fertigen. Jeder Teilnehmer, jede Teilnehmerin konnte und kann – denn die Arbeit wird bis heute und wohl auch darüber hinaus weitergeführt – den Zeitpunkt der Rückgabe des Objektes selbst bestimmen. Inzwischen ist die Werkgruppe auf über 100 Exemplare angewachsen. Jedes der Teile ist eine Art temporäres Psychogramm der Person, die es geschaffen hat. Manipulationen der einmal gehäkelten Strecke sind nicht möglich. Anders als Wolle lässt sich gehäkelter Draht nicht mehr aufziehen. Das Ergebnis ist also irreversibel und auch Retuschen sind nicht möglich. Kleine Fehler, falsche Einstiche, enge oder weite Maschen bleiben so wie sie entstehen Teil des Ganzen. Sie sind menschlich, werden integriert und geben dem jeweiligen Stück einen individuellen Charakter. Dass es nicht immer einfach ist, an der (Häkel-) Arbeit zu bleiben, dass es etlicher Stunden bedarf, ein DIN A 4 großes Rechteck aus feinem Draht herzustellen, dass die Produktion immer wieder sorgenvoll daraufhin betrachtet wird, ob sie denn auch dem Bild entspricht, welches man als Bearbeitende von sich hat und vermitteln möchte, kann die Autorin aus eigener Erfahrung weitergeben. Mehrere an dem Projekt Beteiligte haben ihre Empfindungen in Briefen an Brigitte Schwacke festgehalten:
„ Häkelbrief: Anfangs baue ich ihn sehr zögerlich, fast ehrfürchtig, ganz beherrscht von der Vorstellung die Maschen nicht zu zerdrücken, von dem Wunsch, schöne, vollplastische Drahtlocken zu legen. Maschen, die jede für sich Ausdruck eines Gedankens sind, alle einmalig und anders als der vorherige. Maschen, die an Portraits erinnern. Aneinandergereiht bilden sie Gruppen und die Fülle verzeiht die Unterschiede und Eigenheiten des Einzelnen.“
„Atem verbindet sich mit Gedanken, Herzschlag mit geübter Häkelmotorik. Ich erobere die Sicherheit über die Tiefe des Nadeleinstiches, den Widerstand des Drahtes, die Druckkraft der Finger. Der Ablauf wird rhythmischer. Mechanisch. Stich für Stich füllt sich das hypothetische A4 Blatt.“
„ Es war wie eine Umkehrung. Erst dachte ich du nimmst mir Zeit und als ich mich darauf eingelassen hatte, entstand eine Auszeit für mich, dann konzentrierte Stille, ich wurde ruhig undicherhielt ein Geschenk.“
„… man fühlt sich verbunden mit den Anderen, obwohl man sie nicht kennt. Jedes ist wie ein Fingerabdruck. Das Mitwirken war wichtig, Teil zu werden vom Ganzen.“
„ . . . entstanden ist das Ganze in fünf Tagen über den Jahreswechsel 2013/2014 in einem Haus in den Bergen über San Pellegrino, ohne Wasseranschluss und ohne Heizung, vorm Kamin sitzend. Es hat also in sich ein bisschen vom alten und ein bisschen vom neuen Jahr. Das mag ich gern daran. Das Problem ist nun, dass ich die Aufgabenstellung DIN A4, nicht wirklich gut erfüllt habe. Irgendwie ist das ganze durch dick und dünn gegangen und gegen Ende ein bisschen ausgeufert. Hmm. In die Reihe passt es nun nicht wirklich. Was tun?“
Die Auszüge zeigen, dass die Arbeit an dem Häkelstück sehr stark verbunden ist mit Konzentration, der Reflektion des eigenen Tuns. Emotionen werden auf das Objekt übertragen, Maschen als Individuen, Reihen als Gruppen empfunden und so im zwischenmenschlichen Kontext gesehen. Deutlich wird auch, wie wichtig es einigen Teilnehmern ist, mitzuwirken an einem übergeordneten Ganzen. Neben der Lust an Gemeinschaft spiegelt sich hier möglicherweise auch ein Defizit unseres gegenwärtigen Lebensstils, in dem die Sehnsucht nach Verbundenheit sich weniger im unmittelbaren Miteinander auslebt als in einer zunehmenden Kommunikation mit Hilfe technischer Medien. Auch die Sorge, dass entwicklungsbedingte starke Abweichungen in der Struktur zu einem Ausschluss führen könnten, zeigt, wie ernst die Gemeinschaft genommen wird und wie gefährdet oder brüchig sie ist, wenn die „Koordinaten“ nicht stimmen. Dichte, also auch Nähe und Leere, wird in dieser bildhaften Soziologie untersucht, dazu die Frage, wie weit man in einem begrenzten Rahmen gehen kann. Es gab Teilnehmerinnen, die ihn zumindest hinterfragt haben. Hier ein Beispiel:
„Was hat mich davon abgehalten das Format zu verlassen, wo es mir für das Erzählen angebracht schien Fußnoten und Randbemerkungen zu platzieren, warum habe ich die Nadelstärke nicht geändert, als das Resultat dünner ausfiel als die Pracht, die ich mir herbeisehnte, ich hätte den Draht auch doppelt nehmen können. Die Stichvorgabe hätte ich ignorieren können …“
Trotz ihrer Rebellion hat die Betroffene sich offenbar an die Vorgaben gehalten. Wie frei sind wir also wirklich in unseren Handlungen? Und welche Beweggründe führen zur Anpassung?
Brigitte Schwacke stellt eine große Zahl der Werke als Serie vor, die sie an einer Wand in gleichmäßiger horizontaler und vertikaler Reihung präsentiert. Dabei achtet sie darauf, dass ein gewisser Abstand zur Wand gehalten wird. Die Stücke benötigen den Raum „dahinter“, Raum für die ihnen innewohnende Energie, Raum zum Atmen und Raum für Schatten, Raum, der Enge und Weite, Verdichtungen und Löcher, gleichmäßige und wirr erscheinende Strukturen spiegelt und unterstreicht.
Auch diese Werkgruppe trägt, wie alle anderen, der Tatsache Rechnung, dass wir uns ständig verändern und mit uns die Verhältnisse und die Dinge in dieser Welt. Brigitte Schwacke schenkt uns dafür zauberhafte, fragile und teilweise flüchtig anmutende Bilder und, insofern wir unmittelbar beteiligt sind, auch den Raum und die Ruhe, sich auf sie einzulassen.